Barfuß auf die Große Schlicke

Die Große Schlicke?

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber so ein Bergname war mir bisher auch noch nicht vorgekommen. Große Schlicke, das klingt ja eher nach Küste und Wattenmeer als nach Allgäuer Alpen. Aber in einer Gegend, wo man auch auf’s Hundsarschjoch oder den Gimpel steigen kann, wundert einen eigentlich nichts mehr.

Von Norden aus präsentiert sich das Bergmassiv nicht sonderlich attraktiv. Breit, mit steil abfallenden Wänden und zwei unscheinbaren Erhebungen, das ist es schon.

Große Schlicke
Große Schlicke

Von Westen aber zeigt sie sich als formschöne Pyramide, die zu einer Besteigung einlädt. 2059 m ist sie hoch, höher als der Säuling.

Große Schlicke von Westen

Tatsächlich ist die Große Schlicke ein sehr lohnendes Gipfelziel, ihr werdet sehen.

Rinder auf dem Weg

Bevor man die Tour zur Großen Schlicke starten kann, erwartet einen schon so Einiges an Erlebnissen. So bei der Anfahrt auf der Straße von Pfronten hinauf ins Tannheimer Tal.

Irgendwie stockt da zuweilen der Verkehr. Bald erkennt man den Grund. Rinder! Die stehen dort links und rechts der Straße zu Hunderten und genießen das saftige Gras. So weit so gut. Nur meinen halt immer einige, dass das Gras auf der anderen Straßenseite besser schmeckt, oder was auch immer. Jedenfalls wechseln sie von hüben nach drüben, über die Straße. Zuweilen wandern sie auch die Straße entlang. Und auf die Idee kommt nicht nur eine Kuh, sondern etliche. Zäune gibt es hier nicht, man fährt sozusagen mitten über eine gigantische Viehweide, an beiden Enden gesichert durch Weideroste.

Rinder auf der Straße

Klugerweise verzichten die zahlreichen Urlauber auf eine tätliche Auseinandersetzung mit den vermaledeiten Rindviechern, zumal die sich durch Angriff und nicht durch Flucht verteidigen würden. Radfahrer würden eh den Kürzeren ziehen… Ganz im Ernst muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es tatsächlich Jahr für Jahr zu tödlichen Unfällen durch Kuhangriffe kommt. Meist sind es Muttertiere auf der einen Seite, und unbelehrbare Hundehalter auf der anderen, die unbedingt mit ihren Lieblingen eine Weide mit Mutterkuhhaltung überqueren wollen…

Und so schleicht der Verkehr langsam dahin, mit vielen Stopps. Beim ersten Mal ganz lustig…

Hinauf mit der Bahn

Tatsächlich gibt es mehrere Wege hinauf auf die Große Schlicke. Man könnte z.B. statt vom Tannheimer Tal auch im Lechtal starten, in Musau, und von dort zunächst zur Musauer Alm im Raintal wandern. Dann weiter zur Otto-Mayr und zur Füssener Hütte und dann hinauf zum Gipfel. Die Tour zu den Hütten haben wir ja schon mal hier beschrieben, nur sind wir damals zum Füssener Jöchle aufgestiegen und mit der Seilbahn nach Grän im Tannheimer Tal hinab geschwebt.

Umgekehrt kann man mit der Bahn aus dem Tannheimer Tal zum Füssener Jöchle hinauffahren (oder von Grän hinauf laufen) und von dort direkt auf die Große Schlicke wandern. Technisch sind beide Routen nicht sonderlich anspruchsvoll, es geht nur hin und wieder recht steil hinauf.

Ich habe mich heute für die Bahnunterstützung von Grän aus entschieden. Die Sonne lacht vom Himmel, sorgt aber gleichzeitig für hohe Temperaturen. Kein Lüftchen weht, und der Anstieg auf die Große  Schlicke verläuft komplett an einem Südhang. Da verzichtet man gerne auf unnötige Quälereien auf aufgeheizten Talanstiegen.

Auf dem Bild erkennt man die Route, die im Bogen durch den bewaldeten Hang und steil hinauf durch den Gipfelhang der Großen Schlicke führt, recht gut.

Weg zur Schlicke

Dazu will ich den Anstieg (der unterwegs auch ein langer Abstieg ist, wie man auf dem Bild sieht) wieder komplett barfuß bewältigen. Erfahrungsgemäß weiß ich, dass warme Untergründe die Empfindlichkeit der Fußsohlen heraufsetzt, da sollte man sie nicht schon beim Talanstieg mürbe machen.

So schwebe ich also von Grän hinauf zum Jöchle. Unterwegs bestaune ich, welchen Anblick eine viel befahrene (und von Pistenraupen beackerte Skipiste im Sommer bietet.

Füssener Jöchle

An der Bergstation bietet sich bereits ein toller Ausblick in das Alpenvorland und die Tannheimer Bergwelt.

Alpenvorland

Es kann losgehen

1 1/4 Stunden braucht man zur Großen Schlicke, verkündet das Schild, aber es ist heiß, und die Fotostops zahlreich. Außerdem bin ich barfuß unterwegs. Allzuernst nehme ich diese Zeitangaben nie.

Schilderbaum

Der Weg ist wie immer steinig, aber barfuß machbar. Hier gibt es viele Wanderer, die die Steine an den Kanten schön rund getreten haben…

Barfuß auf dem Geröll
Barfuß auf dem Geröll

Das Ziel steht gleich zu Beginn schon vor einem, die mittlere Pyramide links von den Wanderen. Hinter dem Kamm grüßen bereits die „hohen“ Tannheimer Berge. Auf den Grat geht es hinauf, man sieht den Weg, dann folgt die Wegstrecke, die schon im „Start-Ziel“-Foto zu sehen war.

Blick auf die Große Schlicke

Unterwegs begleitet Dich die Alpenflora, hier der Enzian.

Lungenenzian

Tiefblicke ins Raintal

Am Kamm angekommen schaut man ins Raintal, das von den steilen Nordwänden von (v.r.n.l.) Gehrenspitze (2163 m), Köllenspitze (2238 m) und Gimpel (2176 m) beherrscht wird.  Allesamt keine Ziele für den normalen Bergwanderer.

Tannheimer Berge

Voraus ist schon das Ziel in Sicht, der Gipfelhang der Großen Schlicke.

Tannheimer Berge

Unterwegs holt mich ein anderer Wanderer ein. Wir kommen ins Gespräch. Der rüstige Herr ist bereits 80, aber noch zügig unterwegs. Er kommt aus der Gegend von Memmingen und kennt hier so ziemlich jeden Berg von eigenen Besteigungen. Wir bleiben zusammen bis zum Gipfel und ich erfahre allerhand über die Gegend. Fotografiert werden will er nicht, mit dem komischen Internet will er nichts zu tun haben.

Eine alternative Route…

Aber so bekomme ich noch einen Weg zur Großen Schlicke gezeigt, nämlich den über die Vilser Alm, die auf dem nachfolgenden Bild tief unten im Tal zu erkennen ist. Von dort zieht ein Steig steil hinauf zu einer Scharte und dem Weg, auf dem wir gerade unterwegs sind.

Vilser Alm

Hier der Ausstieg. Oben am Hang das Füssener Jöchle.

Anstieg von der Vilser Alm

Im Raintal sehen wir an einer Stelle hinab auf Otto-Mayr und Füssener Hütte am Fuß der Köllenspitze.

Füssener Hütte

Hinauf zum Gipfel

Irgendwann geht es steil hinauf zum Gipfel der Großen Schlicke. Oben ist schon das Kreuz in Sicht.

Anstieg zum Gipfel
Anstieg zum Gipfel

Schließlich bin ich oben und genieße – na was schon – einen ordentlichen Schluck aus meiner Wasserflasche. Mann, war das schweißtreibend hier rauf bei der Hitze. Erst dann bewundere ich das phantastische 360° Panorama, das sich hier bietet. Unzählbar die Bergspitzen, die von hier aus zu sehen sind. Im Südosten prominent und nicht weit weg das Zugspitzmassiv. Im Süden reicht der Blick bis in die Ötztaler Berge, nach Westen erblickt man die Oberstdorfer Bergspitzen und ganz entfernt den Säntis. Und natürlich nach Norden hin das Alpenvorland und die Füssener Seenlandschaft.

Gipfelpanorama
Gipfelpanorama
Gipfelpanorama
Gipfelpanorama
Gipfelpanorama

Ich bin happy. Und ein wenig groggy von der Hitze. Im Hintergrund grüßt die Zugspitze.

Barfuß auf der Großen Schlicke

Mein fitter Wanderkumpel hört gar nicht mehr auf, mir von Touren auf all diese Berge zu erzählen. Skiabfahrt von der Hohen Munde, Edelweißvorkommen an der Höfats, Klettertouren weiß Gott wo. Ich bin schwer beeindruckt. Im Moment aber besonders davon, dass dieser Achtzigjährige mich konditionell locker in die Tasche steckt…  Beeindruckt bin ich dazu von seinem phantastischen Leica-Fernglas, mit dem es meine 50€-Interneterrungenschaft nicht aufnehmen kann. Gut, das Leitz kostet auch mehr als das Zehnfache…

Rückweg zum Füssener Jöchle

Irgendwann geht es wieder hinab, in meinen Mares Surflingen. Barfuß würde es auch gehen, aber viel zu langsam und viel zu verletzungsgefährlich. Mit jedem Schritt drückt das Körpergewicht mit Schwung auf die Fußsohlen, rutschendes Geröll machen so manchen Schritt schwer beherrschbar. Abstiege markieren deshalb zumeist meine selbstgesetzte Barfußgrenze.

Der Rückweg zum Füssener Jöchle fällt mir nicht leicht. Ich merke wieder einmal, wie hitzeanfällig mein Kreislauf ist. Ich beschließe, in Zukunft an solchen Tagen wesentlich früher aufzubrechen, um die Kühle der Morgenstunden auszunutzen.

Am Jöchle angekommen genieße ich allerlei Köstlichkeiten auf der Terrasse des Restaurants direkt neben der Bergstation der Bahn.

Die Aussicht ist auch von hier nicht schlecht, hier ins Tannheimer Tal. Da lockt mich auch noch der eine oder andere Gipfel, zum Beispiel die Bergpyramide des Gaishorns…

Blick ins Tannheimer Tal

Irgendwann kann ich mich auch von diesem Anblick losreissen und die Fahrt geht wieder hinunter nach Grän und von dort weiter Richtung Heimat.

Tierische Blockade

Aber was ist das? Kaum sitze ich im Auto und fahre ein paar hundert Meter, ist der Weg versperrt. Nein, diesmal nicht von Kühen…

Pferde

Die Seilbahnzufahrt ist gleichzeitig Pferdeweide. Die lieben Kaltbluttierchen haben sich einträchtig vor der Ausfahrt postiert. Immer schön Kopf an Schwanz, um sich gegenseitig die Fliegen wegwedeln zu lassen. Zum Glück haben sie ein wenig Platz gelassen, um mich knapp passieren zu lassen. Erst als ich durch bin, schieße ich beruhigt das Foto…

Obwohl, beruhigt kann ich ja gar nicht sein, schließlich warten unterwegs noch die Kühe…

Die sind aber auch irgendwann Geschichte und ich kann mit Eva die verdiente Belohnung am Forggensee genießen. Warum um Himmels Willen fliegen die Leute nach Florida??? 😉

Forggensee

2 Gedanken zu „Barfuß auf die Große Schlicke“

  1. Wieder mal ein toller Bericht, der Lust darauf macht, es auch mal zu probleren. Vielleicht komme ich ja mal in die Berge….
    Alle Achtung, dass Du die Schotterwege barfuss gemeistert hast !
    Weiterhin viel Spass bei den touren wünscht
    Michael.

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