Barfuß auf den Thaneller

Besuch mit Ambitionen

„Ich bin ziemlich gipfelaffin“, so teilt mir unser Barfußfreund Christoph aus Luxemburg ziemlich klar seine Bergambitionen mit. Nix Hüttentour oder so etwas. Ganz nach oben muss es gehen. Natürlich nur, wenn das Wetter es erlaubt. Er hat den Luxemburger Nationalfeiertag für einen kleinen Kurzurlaub im Außerfern in Tirol genutzt und natürlich wollen wir ihn, so weit als möglich, auf seinen Bergtouren begleiten.

Zwei perfekte Tage hatte der Wetterbericht noch wenige Tage vorher versprochen, dann aber passierte das, was hier so oft zu beobachten ist: Der Vorhersagetrend ändert sich zum Schlechteren mit Gewittern schon am Mittag, dann wird er wieder besser, dann wieder schlechter…

Der Thaneller ist das Ziel

Der Thaneller, ein Tiroler Berg nahe Reutte, den Eva und ich täglich von unserem Balkon aus vor Augen haben. Seine Pyramide ist, von dort aus betrachtet, mit seinen 2341m sogar der höchste Gipfel von all denen, die wir von dort sehen können.

Der Thaneller reizt zu einer Besteigung schon durch die Art, in der er das Bergpanorama beherrscht. So dominiert er z.B. auf dem nachstehenden Foto den Talkessel von Reutte im Lechtal, eine Szenerie, die den eiligen Fernpasstouristen vielleicht entgeht.

Thaneller

Vom Heiterwanger See aus gesehen ist er besonders eindrucksvoll, hier links im Bild.

Thaneller

Zusätzlich zu seiner Form reizt, dass die Besteigung dieses so abweisend wirkenden Bergs auf dem Normalweg als ziemlich simpel beschrieben wird. 1000 Höhenmeter auf einfachem Steig, das klingt machbar und einladend.

Nur das Wetter… nun ja, man weiß es nicht.

Wir treffen unsere Entscheidung am Vorabend. Die Vorhersage ist für den nächsten Tag nicht optimal. Es ist mit teilweiser Bewölkung zu rechnen, aber regnen oder gewittern soll es nicht. Nur reichlich Wind soll es geben, bis 6 Bft. Als Eva am nächsten Morgen die Wettervorhersage nochmals checkt, sind es sogar Böen mit Windstärke 8 geworden. Boah, das ist viel. Zu viel, findet Eva und entscheidet, nicht mitzugehen, obwohl das Wetter sonst stimmt. Christoph und ich beschließen per Handy, es einfach zu probieren, schließlich warten keine technischen Schwierigkeiten auf uns. Steife Brisen sind wir ja von der Küste gewohnt…

Harmloser Beginn

Wir starten von Berwang aus. Der kleine Ort liegt idyllisch in einem Hochtal auf 1342m Höhe.

Am Startpunkt, dem Parkplatz am Thanellerkarlift (nur Winterbetrieb), schaue ich etwas entgeistert auf das Bergmassiv vor uns. Das soll der Thaneller sein? Nix abweisende Pyramide. Da ist eigentlich überhaupt nichts, was in irgendeiner Form an das erinnert, was wir bisher von ihm gesehen haben. Aber so ist das oft in den Allgäuer Bergen. Nach einer Seite hin abweisende Felswände, zur anderen steile Grashänge. Hier scheint es nicht mal die zu geben.

Thaneller

Die Wanderung wird uns zunächst auf einem Waldsteig auf die linke Schulter des Thaneller bringen. Von dort werden wir über einen nicht zu schmalen Berggrat zum Gipfel aufsteigen, sofern uns der Wind nicht vorher ins Tal weht. Wir werden sehen. Hier unten ist vom Wind erst mal nichts zu bemerken.

Wir ziehen los. Ich will es wie immer erst einmal so lang wie möglich barfuß versuchen und schauen, ob ich es ohne Schuhe sogar bis zum Gipfel schaffe. Christoph läuft zwar auch viel barfuß, aber so eine Tour traut er seinen Füßen als Mittelgebirgstiroler dann doch nicht zu. Er wird auf der ganzen Tour seine leichten Bergschuhe tragen. Völlig in Ordnung, finde ich, denn schließlich soll so eine Tour Spaß machen und nicht in ein Martyrium ausarten, so schrieb ich es ja schon mal in meinem „Barfußgrenzen“-Beitrag„.

Ich bin es inzwischen gewohnt und staune regelmäßig, was meine Füße mittlerweile alles wegstecken, ohne dass ich es als übermäßig unangenehm finde.

Barfußschmeichler

Der Beginn der Tour ist ein Barfuß-Gedicht, seht selbst.

Thaneller

Auch der Steig im Wald erinnert mehr an die Eifel als an die Alpen.

Thaneller

Unterwegs öffnet sich hin und wieder der Blick auf die umliegenden Berge, hier im Hintergrund die Gartnerwand.

Thaneller

Irgendwann treten wir aus dem Bergwald hinaus und wir sehen erstmals das Ziel, den Thaneller-Gipfel. Noch ist es nur mäßig windig…

Thaneller
Barfuß auf dem Thaneller

Der Sturm bricht los…

Dann aber führt der Weg aus dem windgeschützten Bereich heraus. Heftig drücken uns die Böen nach rechts und wir müssen erst einmal lernen, mit dieser Urgewalt umzugehen. Selbst beim Fotografieren mit dem Handy muss ich aufpassen, denn so ein Gerät entwickelt in den Böen Segelqualitäten…

Unsere Kappen wandern ziemlich bald in den Rucksack. Christoph hat zusätzlich ziemliche Sorge um seine Brille, an deren breiten Stegen und Bügeln der Wind ganz schön zerrt. Irgendwann wird auch die sicher verstaut. Meine Brille besteht bis auf die Gläser ausschließlich aus biegsamem Titandraht. Übrigens ein dänisches Produkt, bei dem der Entwickler den Ehrgeiz entwickelte, keine einzige Schraube einzusetzen – und offenbar auch die Anfälligkeit für dänische Starkwindlagen zu minimieren…

So kämpfen wir uns im Wind den Grat hinauf…

Thaneller

…und werden durch grandiose Bergpanoramen entschädigt.

Thaneller

Ach übrigens, der Untergrund ist schon seit geraumer Zeit alpin – wie immer also…

Thaneller

Das Ziel ist nicht mehr weit, im Hintergrund ist schon der Forggensee zu sehen.

Thaneller

Flaggenalarm am Gipfel

Nur noch ein paar Schritte und wir sind oben. Ich hab’s tatsächlich komplett barfuß geschafft und bin entsprechend happy, obwohl der Wind ganz schön an den Haaren zerrt…

Thaneller

Christoph hat Sondergepäck hier herauf geschleppt. Schließlich ist heute Luxemburger Nationalfeiertag, ein besonderer Tag, der besondere Maßnahmen erfordert. Vive le Luxembourg!

Thaneller

Dann ist Zeit, die Aussicht zu bewundern.

Ganz besonders ist der Blick hinunter auf den Heiterwanger- und den an ihn anschließenden Plansee, die wie Norwegische Fjorde von steilen Bergflanken eingefasst sind.

Thaneller

Im Hintergrund als Silhouette das eindrucksvolle Wettersteinmassiv mit der Zugspitze (2962 m)

Thaneller

Hier die Sicht vom Gipfel als Panorama, einschließlich des Blicks hinaus ins Füssener Seenland.

Thaneller

Eine Bergdohle bettelt geräuschvoll um Futter.

Thaneller

Nach Süden sind Berge zu sehen, die ich bis jetzt noch nicht kannte, so z.B. die eindrucksvolle Namloser Wetterspitze (2553 m), aber auch bereits bekannte Berge, wie der Hochvogel in den Allgäuer Alpen. Die Sichten sind nicht optimal heute, Dunst und Wolken beeinträchtigen die Fernsicht.

Thaneller

Wir halten es trotz Wind ziemlich lange auf dem Gipfel aus.

Shoetime auf dem Abstieg vom Thaneller

Auf dem Abstieg ist für mich mal wieder Shoetime, wie immer meine Mares. Abstiege markieren meine persönliche Barfußgrenze.

Thaneller

Unten liegt unser Startpunkt, der Talkessel von Berwang. Der kleine See ist künstlich angelegt, wahrscheinlich als Wasserreservoir für die künstliche Pistenbeschneiung, ohne die in den wärmeren Wintern wohl nichts mehr geht.

Thaneller

Wie immer wird der Weg ins Tal wieder ewig lang, gefühlt dreimal so lang wie der Aufstieg. Ein merkwürdiges Phänomen.

Vielleicht liegt es auch ein wenig daran, dass uns nun schon seit Stunden das Geknatter eines Hubschraubers nervt, der unentwegt Lasten für die Konstruktion einer Lawinenverbauung aus dem Tal auf den Bergrücken gegenüber fliegt.

Als kleines Trostpflaster ziehe ich auf dem Grasweg ganz unten im Tal wieder die Schuhe aus und genieße so die letzten Meter zum Parkplatz.

Thaneller

Toll war’s, trotz Wind und eingeschränkter Sicht. Nur ganz wenige andere Wanderer haben wir getroffen. Ob das an schöneren Tagen anders ist?

Vielleicht werde ich das irgendwann einmal auf einer Wiederholungstour herausfinden.

Bestimmt nicht zusammen mit Christoph. Denn der wird beim nächsten Mal ganz sicher einen anderen Gipfel ins Auge fassen…

2 Gedanken zu „Barfuß auf den Thaneller“

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