Von den Ammergauer in die Tannheimer Berge
Die Tannheimer Berge. Ein wohliges Gefühl breitet sich in mir aus. Ich bin wieder unterwegs mit Eva Richtung Berge. Vielmehr gesagt, Richtung Musau im Lechtal nicht weit von Reutte in Österreich. Die Sonne lacht vom Himmel, wenngleich hin und wieder kurz getrübt durch ein paar Quellwolken. Wir haben einen detaillierten Plan, als wir vom Parkplatz „Bärenfalle“ auf 880 m Höhe die Wanderung ins Reintal starten: erst mal rauf zur Musauer Alm und dann weiter sehen. Zumal die Wettervorhersage für den späten Nachmittag Gewitter verkündet.
Zunächst geht es auf einem perfekt gesplitteten Fahrweg einige Kilometer bergauf durch den Wald. Eva ist vernünftig, typisch Frau, und zieht sich schon bald ihre kuscheligen Leguano an. Ich gebe, typisch Mann, den Helden, bleibe barfuß und murmele etwas von „Fußsohlen abhärten“. Bis es nach 2 Kilometern wirklich ein wenig arg wird, was die Schotterbegeisterung der hiesigen Waldwirtschaft angeht. Da bricht auch bei mir das Heldentum zusammen und die Notschuhzeit an. Ich greife zu meinen Aqua Sphere.
Freude des Fotografen
Aber nicht lange. Schon bald öffnet sich der Wald und gibt den Blick frei auf ein Bergpanorama, das jeden Postkartenfotografen zu wilder Aktivität verleiten würde. Übrigens nicht nur die. Steil ragen die gewaltigen Nordwände der Tannheimer Berge vor uns auf, während davor eine idyllische Almlandschaft mit gewellten Wiesen, Kuhgeläute und lustig rauschendem Wildbach aufwartet. Hier kann man Heimatfilme drehen. Die Notschuhe finden ihr Quartier wieder im Rucksack, der bare Fuß verlangt sein Recht. Und das wird so den ganzen restlichen Tag so bleiben. Aber das ahnen wir jetzt noch nicht.
Schon bald taucht die Musauer Alm vor uns auf. 1290 m hoch gelegen mit einem Panoramablick auf eine grandiose Bergkette und einen Talschluss, der spannend aussieht.
Trübe Aussichten?
Aber das Wetter? Inzwischen sind doch mehr Wolken aufgezogen. Kommt das Gewitter früher? Die Hüttenwirtin beruhigt uns: „Das hält!“ Nach einem Skiwasser bauen wir unseren Plan aus. Wir laufen durch die Almlandschaft weiter zur Otto Mayr-Hütte, die 1,5 Stunden entfernt liegt.
Wanderer unterwegs bewundern uns als gestählte Naturerscheinungen, die weder Tod noch Teufel noch steinige Wege fürchten. Nun ja, solange man ihnen entgehen kann, weichen wir ihnen aus. Und wenn es auf schmalem Grasgrat am Wegesrand ist. Aber das erzählen wir nicht jedem…
Die Otto Mayr-Hütte taucht auf, gelegen auf 1530 m, ausgestattet mit gut gefüllter Terrasse ohne schönen Blick auf die Berge, weil blockiert durch Gäste und Sonnenschirme.
Wir ziehen achselzuckend und heldenhaft in schweißtreibendem Marsch 200 m weiter zur 20 m höher gelegenen Füssener Hütte. Mit freien Plätzen und dem gewünschten Panoramablick. Eva schlürft mit verzücktem Blick ihren Cappuccino, währenddessen ich mich meiner Holunderschorle hingebe. Und dann kommt er, der Kaiserschmarrn, lecker. Jedem das, was er verdient.
Und wieder kommt Eva mit einer weiteren Verfeinerung des Plans um die Ecke. Das heißt, wir laufen nicht den Weg zurück zum Auto. Nein wir wandern weiter hoch zum Füssener Jöchle auf 1900 m und fahren mit der Bergbahn hinunter nach Grän im Tannheimer Tal. Zurück zum Auto geht es dann irgendwie mit ÖPNV oder per Autostop. Hört sich klasse an, denke ich und stimme zu. Auf geht’s.
Steil geht es 350 m hinauf über einen steinigen Pfad, Richtung Läuferspitze, die vor uns mit ihrem imposanten Gipfelkreuz aufragt. Immer öfter werden wir von entgegen kommenden Wanderern auf unsere baren Füße angesprochen. Wie lange es dauere, bis man so was könne, wird oft gefragt.
Fußpflege
Ich denke dabei zurück an meine Barfußanfänge, als ich schon nach kurzen Schotterpassagen zuweilen für mehrere Tage gereizte Fußsohlen hatte. Und ich denke an meine Probleme mit meinen trockenen Fußsohlen, die vielen schmerzhaften Schrunden.
All das ist Vergangenheit. Die richtigen Pflegemittelchen für meinen speziellen Hauttyp sind gefunden, die Sohlen mit den Jahren robust geworden. Gedauert hat das alles schon. Zuhause steht eine Plastiktüte voll mit diversen Fußpflegecremes, alles Empfehlungen anderer Barfüßer. Offenbar alle mit anderem Hauttyp… Die einen brauchen Mittelchen zur Hautbefeuchtung, die anderen eher Fettcremes. Jeder muss das selbst für sich herausfinden. Mir hat dabei eine Podologin und ein Hautarzt geholfen. Außerdem mache ich keine Barfußwinterpause mehr. Dementsprechend bekommen die Füße keine Gelegenheit mehr, wieder zu verweichlichen.
Auf dem Grat
Wir erreichen das Füssener Jöchle mit dem Alpengarten und der Sonnenalm und sehen mit etwas Unbehagen, dass es zur Bahn wieder bergab geht. Barfuß bergab ist wesentlich fordernder als ein Anstieg, weil bei jedem Schritt das Körpergewicht abgefangen werden muss und die Füße entsprechend in die Steine gedrückt werden. Aber es geht besser als gedacht, dank vieler erdiger Trittmöglichkeiten.
Das Panoramabild lässt sich mit einem Klick vergrößern.
Schon nach kurzer Zeit erreichen wir die Bahn und genießen auf der daneben liegenden Hütte unser Rösti mit Spiegelei und Salat.
Ausklang
Schön war’s. Das Wetter hat gehalten, die Sonne strahlt oft vom Himmel. Kurz vor Betriebsende fahren wir hinab nach Grän, wo uns noch eine lange Fahrt zurück zum Auto erwartet. Zuerst mit dem Bus nach Reutte, anschließend mit dem Zug nach Musau, und schließlich per Anhalter zum Parkplatz Bärenfalle. Kurzum, alles geht reibungslos. Ein toller Tag liegt hinter uns. Wir fallen uns in die Arme und freuen uns auf die vielen gemeinsamen Touren, die noch vor uns liegen.
Ich bin Jahrgang 1955, Vater zweier erwachsener Töchter, und verbringe seit dem Sommer 2016 viel Zeit im traumhaft schönen Allgäu bei Füssen, wo Eva schon länger ihr Zelt aufgeschlagen hat. Hier kann ich zusammen mit ihr meiner Berg- und Radfahrleidenschaft frönen. Barfuß lebe ich seit 2012. Ich bin Autor von „Fünf Jahre barfuß„.