Auf zur Runde um den Kessel
„Barfuß am Kessel“. Das könnte der neue Kochshow-Quotenhit sein. Wellnesskochen mit Eva und Wolfgang. Neue sensorische Genüsse. Wir behalten das mal im Hinterkopf.
Diesmal schauen wir aber nur ein wenig über den Rand eines Riesenkessels, Durchmesser fast 100 Meter. Großküchentauglich sozusagen. Nur ein wenig abgelegen, in den Ammergauer Alpen. Wir befinden uns im Karstgebiet, nicht weit von der Hochplatte. Der Kessel ist eine Doline, eine in solchen Regionen typische geomorphologische Erscheinung, bei der Regenwasser das Kalkgestein von der Oberfläche her trichterförmig auflöst.
Am Fuß des Kessels liegt die Kenzenhütte. Die kennt Ihr ja schon von der Tour auf die Hochplatte. Die Betreiber dieses gemütlichen Plätzchens brauchen den Kessel zwar nicht für ihre kulinarischen Kreationen, wohl aber für den Umsatz. Wer nämlich den sogenannten Kesselrundweg unter die Füße nehmen will, kommt unweigerlich an der Hütte mit ihrer einladenden Terrasse vorbei.
Anfahrt mit dem Bus
Auch der Betreiber des Kenzenbusses freut sich über zahlende Gäste. Der fährt Wanderer von Halblech 12 km weit und 500 m hoch zur Hütte, so wie uns an diesem sonnigen Tag. A bisserl spät sind wir gestartet, erst um 10 h, aber das macht nichts, die Tour ist nicht so lang und der letzte Bus zurück fährt um 17:30 h. Das langt dicke.
Der Busfahrer kennt uns schon, die beiden ohne Schuhe. Es soll Plätze in Deutschland geben, wo das fahrende Personal des Öffentlichen Nahverkehrs sich zuweilen zu eigenmächtigen Beförderungsverboten für Barfüßer hinreißen lässt. Im Allgäu klopfen sie einem stattdessen anerkennend auf die Schulter. Für eisenharte Mädels und Jungs haben sie hier ein Herz. Uns freut’s immer wieder.
Wir wollen also die Kesselrunde machen. 500 m Anstieg, 6 km Weg und maximal 1750 m Höhe sind genau richtig für uns an diesem Tag. Ein wenig Sorgen mache ich mir nur wegen der Wolkenbasis. Die soll nämlich im Laufe des Tages lt. meiner Lieblingswetterseite meteoblue auf bis zu 1500 m absinken, was für uns Wandern im Nebel bedeuten würde. Nun sind die Verhältnisse in den Bergen kleinräumig oft sehr verschieden. Wir werden sehen.
Barfußfreundlich hinauf
Direkt an der Kenzenhütte geht es los. Ein oft schmaler und vergleichsweise barfußfreundlicher Steig zieht durch den lichten Wald den Hang hinauf in Richtung Kesselrand, den wir aber von hier noch nicht sehen können. Der Weg ist stark begangen, das sehen wir an den abgerundeten Steinkanten. Dazu hilft enorm, dass der Untergrund vom Regen der Nacht noch angenehm weich ist und die Steine ein wenig in die Erde gedrückt werden.
Feuchter Untergrund ist sowieso etwas Herrliches, deshalb ist Regen meist der Freund des Barfußwanderers. Unangenehm wird es erst, wenn es über solchen Untergrund steil bergab geht und es entsprechend rutschig ist. Da ist man dann auch als Barfußfan zuweilen für ein paar Steine dankbar…
Grüne Matten
Bald treten wir aus dem Wald hinaus auf grüne, reichlich mit vielerlei Kräutern und Stauden bewachsene Matten.
Der Felszahn des Geiselsteins, dem „Matterhorn der Ammergauer Alpen“, präsentiert sich von hier sehr eindrucksvoll. Der Gipfel versteckt sich bereits hin und wieder in einer dünnen Wolkenschicht.
Weiter zieht der Weg hinauf zum felsigen Kesselrand durch einen extrem steilen Hang, Abrutschen streng verboten.
Die Bewölkung nimmt zu…
Am Kesselrand
Schließlich erreichen wir den Kesselrand, völlig frei von Wolken, und schauen hinab in den faszinierenden Karsttrichter.
Durch die Schuttkegel des Kessels ziehen sich serpentinenartige Wegspuren. Interessant, kann man da hinuntersteigen? Ja, kann man, finden zumindest die Gämsen, die sich in großer Zahl die köstliche Vegetation am Grund des Trichters schmecken lassen. Im Foto sind sie nur als braune Flecken zu erahnen. Mit dem Fernglas aber lassen sie sich gut erkennen.
Schwer sind sie dort unten zu entdecken, kaum zu unterscheiden von den zahlreichen Felsblöcken. Ein tolles Plätzchen haben sie sich da ausgesucht, windgeschützt und weit weg von den Wanderern, die dem Weg oben am Kesselrand folgen.
Eva kämpft zuweilen etwas mit dem anspruchsvollen Untergrund, der wie an der Hochplatte die Balance hin und wieder etwas schwierig gestaltet. Es ist halt nicht einfach, wenn zum einen die Auflagefläche der Fußsohle nur klein ist und sich zum anderen dieser kleine Sohlenteil vom vollen Körpergewicht in die zuweilen scharfen Kanten des Felsgesteins gedrückt wird.
Der Lohn sind dann herrliche Ausblicke wie dieser hier.
Ein Hase namens Galgo Español
Von oben beobachtet uns ein merkwürdiges Tier, so eine Art Hase…
…der sich bei näheren Hinsehen als Windhund entpuppt, einem Galgo Español.
Seine Besitzer haben ihn in Spanien gekauft, um ihn vor dem typischen grausamen Schicksal zu bewahren, das die meisten dieser Jagd- und Rennhunde erwartet, vor allem die, die nicht erfolgreich genug sind und ihrem Herrn keine Ehre machen. Sie werden „zur Strafe“ zu Tausenden „traditionell“ grausam erhängt (wobei die Hinterfüße noch den Boden berühren, damit das Sterben länger dauert), in eine Tötungsstation abgeschoben oder auf andere Weise „entsorgt“. Tierschutzgesetze gibt es nicht.
Es ist zuweilen unfassbar, wie unglaublich herzlos und grausam Menschen mit Tieren umgehen, wenn sie nur dem Profit dienen, nicht nur in Spanien, auch bei uns. Ab und zu wird der eine oder andere Fall von den Medien aufgegriffen, kurze Zeit herrscht große Aufregung in der Öffentlichkeit, um dann genauso schnell durch die nächste Sensation abgelöst zu werden. Große Konsequenzen hat so etwas leider so gut wie nie.
Am höchsten Punkt
Am höchsten Punkt des Weges eröffnet sich uns ein eindrucksvolles Panorama, dass uns ein wenig die dunklen Gedanken nimmt.
Voraus schauen wir in Richtung der Abstiegsroute auf die schroffen Felswände der Geierköpfe.
Zur anderen Seite geht der Blick in den Kessel.
Nach Osten fällt der Blick ins Graswangtal, in dem sich Schloss Linderhof befindet, errichtet vom Bayern-„Kini“ Ludwig II. Ebender, der dem Ostallgäu auch den Touristenmagnet Schloss Neuschwanstein bescherte.
Hinab in Minimalschuhen
Hinab geht es über einen nicht zu steilen Pfad. Wie immer tragen wir unsere Minimalschuhe, die Leguano bzw. die Mares.
Der Blick geht auch hinauf zur Hochplatte, rechts im Bild. Da oben waren wir schon wenige Tage zuvor.
Scheidewege
An einem Schilderbaum muss sich der Wanderer entscheiden. Drei Möglichkeiten stehen ihm zur Verfügung. Er kann Richtung Westen zur Kenzenhütte wandern, was unserer Route entspricht. Oder er steigt nach Süden ab zum Parkplatz Ammerwald. Schließlich kann er sich auch nach Osten wenden und zur Bushaltestelle des Busses zum Schloss Linderhof laufen.
Auf dem weiteren Weg sehen wir phantastische Felswände…
…und Eva, die restlos begeistert neben der Pflanze steht, aus deren Wurzeln der Enzianschnaps hergestellt wird, dem Gelben Enzian. Witzigerweise sieht man auf den Etiketten der Schnapsflaschen grundsätzlich den blauen Enzian, der zum Schnapsbrennen nun gar nicht taugt, aber eben beim Kunden die gewünschte Alpenromantik aufkommen lässt.
Und noch eine tolle Pflanze bekommen wir zu sehen, die Türkenbundlilie.
Der Blick geht hinauf zu steilen Grashängen und Bergspitzen…
…und die Nadel des Geiselsteins.
Nicht weit von der Kenzenhütte entdecken wir das hiesige kulinarische Ziel etlicher Fliegen. Offenbar verströmt dieses Doldengewächs (Wiesen Bärenklau) eine Duftnote, die für diese Geschöpfe unwiderstehlich ist…
Zurück an der Kenzenhütte
Schließlich erreichen wir die Kenzenhütte und genehmigen uns auf der Terrasse im Sonnenschein so dies und das von der Karte.
Am Tisch nebenan fragt ein älteres Ehepaar nach Möglichkeiten, mit dem Bus zum Parkplatz Linderhof zu gelangen. Die nette Kellnerin klärt sie darüber auf, dass das via Kenzenbus und Halblech eine kleine Weltreise ist. Um das ganze Ammergebirge muss man dazu herumfahren, mit mehrmaligem Umsteigen. Alternativ müssten sie wieder weit zur Abzweigung hinaufsteigen und den Weg in Graswangtal einschlagen. Da kämen sie wahrscheinlich wegen der langen Wanderdauer ins schlechte Wetter. Sie entscheiden sich für die Weltreise, wie wir später sehen.
Sie sitzen mit uns im Kenzenbus…
Ich bin Jahrgang 1955, Vater zweier erwachsener Töchter, und verbringe seit dem Sommer 2016 viel Zeit im traumhaft schönen Allgäu bei Füssen, wo Eva schon länger ihr Zelt aufgeschlagen hat. Hier kann ich zusammen mit ihr meiner Berg- und Radfahrleidenschaft frönen. Barfuß lebe ich seit 2012. Ich bin Autor von „Fünf Jahre barfuß„.
Super Fotos, geniale Landschaft. Danke fürs zeigen. Liebe Grüsse von Sabine
Danke Sabine!
Liebe Grüße von Eva und Wolfgang