Selber mal auf Barfußbergtour gehen
„Uhh, Riesenrespekt, wie machen die das nur?“, wunderte sich Karina aus Barlo bei Bocholt jedesmal, wenn sie wieder einmal jemanden barfuß beim Auf- oder Abstieg in den Bergen erlebte. „Hier auf dem alpinen Barfußpfad habe ich jetzt die Gelegenheit und den Mut, es selbst einmal auszuprobieren“, freut sie sich.
Ein ganz tolles Erlebnis, findet auch ihre Familie, die barfuß in meine Kamera strahlt. Dazu gehören Ehemann Michael und die noch jungen Söhne Johannes und Lukas. Ein herrliches Gefühl, den Boden einmal direkt ohne die übliche Isolation durch die Schuhsohlen erspüren zu können, das finden sie alle vier.
Wir befinden uns auf etwa 1700 m Höhe auf dem alpinen Barfußwanderweg Hahnenkamm-Höfen bei Reutte in Tirol. Er wurde vom Betreiber der Hahnenkammbahn angelegt und wird von ihm auch unterhalten. Die Sonne scheint, ringsum bimmeln die Schellen der Rinder, weiches Gras umschmeichelt die Fußsohlen. Der Ausblick reicht über die Ammergauer und Lechtaler Alpen bis zur Zugspitze. Schöner kann es nicht mehr werden.
Ganz zufällig hat die Familie den Barfußweg nach der Auffahrt mit der Bahn entdeckt und gleich in Angriff genommen. Johannes und Lukas haben schon etwas mehr Barfußerfahrung und ziehen gerne die Schuhe aus, wann immer es sich anbietet. Allerdings nicht in der Stadt. Da hätte Karina doch noch etwas Bedenken wegen der möglichen Verletzungsgefahren, obwohl sie vermutet, dass das Risiko in der Natur ja eigentlich größer ist. Da muss man z.B. auf Bienen, Dornen und Steine acht geben.
Johannes kennt sich da schon aus. Ein eingetretener Dorn hat ihm vor einiger Zeit ein wenig Respekt eingeflößt. Ich beruhige ihn. Man wird mit der Zeit achtsamer und die Fußsohlen wesentlich robuster. Die Füße von Vater Michael sind noch nicht ganz so weit. Er hat schon bei den ersten Schritten auf dem Pfad gemerkt, wie empfindlich die Sohlen durch das ständige Tragen von Schuhen geworden sind.
18 Barfußpfad-Stationen
Auf dem etwa 1 km langen Barfußpfad sind 18 Stationen eingerichtet, die abwechselnd die Sinne oder die Geschicklichkeit ansprechen. Das ist toll für Kinder und Erwachsene. Gut gestaltete Schilder stehen an jeder Station. Die Texte sprechen „Körper, Geist und Seele“ an und „machen die Besucher auf die besonderen Möglichkeiten der Wahrnehmung beim Barfußwandern aufmerksam.“ So drückt es die Bahn auf ihrer Webseite treffend aus. Ich finde sie allesamt sehr gelungen. So etwas sollte es auf allen Barfußpfaden geben.
Den Weg von Station zu Station, gesäumt mit Almrausch und Rindern, darf man sich selber frei wählen. So steht es jedenfalls ebenfalls auf der Webseite der Bahn. Das Abweichen vom Trampelpfad ist damit ausnahmsweise ausdrücklich erlaubt und sogar gewünscht.
Der Weg startet direkt gegenüber der Bergstation mit einigen ersten Informationsschildern.
Am Einstieg in den Pfad stehen Bänke, auf der ständig Leute sitzen, die sich ihre Schuhe aus- oder anziehen. Der Weg für die „freien Füße“ wird von den Urlaubern bestens angenommen, vor allem von Familien mit Kindern.
Eine davon sind Emma, Magnus und Stefanie aus Kamen. Ihnen gefällt die Idee des Barfußpfads sehr gut.
Selten habe ich auf einem Barfußpfad derart viele Menschen erlebt. Das ist tatsächlich die Regel hier. Offenbar ein Volltreffer der Bahngesellschaft. Früher seien es allerdings noch viel mehr Leute gewesen, erzählt mir die Wirtin der etwas tiefer gelegenen Höfener Alm, an der der Barfußpfad mündet und wo es auch eine Gelegenheit gibt, die Füße zu waschen.
Allerdings habe die Bahn anfangs den Weg besser gepflegt, als das heute der Fall sei. Ich bin ein bisschen verblüfft, alles sah einwandfrei aus. Hackschnitzel hätten früher den Weg markiert, erklärt mir die Wirtin. Nun ja, auf Hackschnitzel kann ich nun wirklich verzichten, denke ich mir. Im Gegenteil, meist pieksen gerade die besonders übel. Aber offenbar sind es doch eher künstliche Erlebnisse, die Urlauber anziehen, so scheint es.
Claudia aus den Niederlanden bestätigt das ein wenig. Sie schwärmt vom Barfußpark in Brunssum in der niederländischen Provinz Limburg. Da gäbe es doch ein wenig mehr Abwechslung als hier am Hahnenkamm, bemängelt die Journalistin. Aber fröhlich ist die vierköpfige Gruppe trotzdem. Dazu gehört ein Mädel, dass in der Heimat und im Urlaub so oft wie möglich die Schuhe auszieht.
Wieder zu Hause besuche ich die Webseite des „Blote Voeten Park“ Brunssum. Eine wirklich tolle Sache. Aber dafür wird auch Eintritt verlangt. 7 Euro kostet der Spaß für Erwachsene, 3,75 Euro für Kinder.
Am Hahnenkamm ist alles umsonst, und es gibt mit den Almwiesen und Rindern Attraktionen, auf die man in Brunssum verzichten muss.
Und es gibt nach meinem Gefühl Stationen, die wirklich gute Laune schaffen.
Z.B. gleich zwei Wackelbalken. Einen davon besteige ich mit etwas mulmigen Gefühl. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich hinbekomme.
Oha, das ist wirklich grenzwertig für das Gleichgewichtssystem, das merke ich sofort. Aber ich gelange trotzdem unfallfrei und ohne Absteigen ans Ende des Balkens. Dabei hilft mit Sicherheit, dass die Fußsensoren perfekte Signale an das Gehirn schicken können, unbehindert durch Barriere einer Schuhsohle.
Das Stationsschild gibt die Erklärung dazu.
Eine ähnliche Herausforderung bietet ein Kettensteg.
Angenehm ist das Kneippbecken. Das ist gerade heute, wo die Temperaturen sehr hoch sind, sehr willkommen.
Matsch fehlt leider, das überrascht mich dann doch ein wenig. Irgendwie gehört der bei einem „richtigen“ Barfußpfad dazu. Aber da es hier Rinder gibt, muss man nach matschigen Stellen nicht lange suchen, nur darf man die nicht mit den Kufladen verwechseln…
Aber auch die Stationen für die Sinne sind nicht zu verachten. So z.B. die Station 14 und 15 . „Auf Sand“ und „Auf Stroh“ heißen sie.
Barfuß auch anderswo?
Genau genommen ist der ganze Weg ein Pfad der Sinne. Berge, Tiere, die alpine Vegetation und der sanfte Untergrund der Almwiesen und Erdpfade sind eine Komposition, die nur schwer zu toppen ist. Vielleicht macht das doch den einen oder anderen neugierig darauf, es vielleicht auch mal außerhalb des Barfußweges mit dem Barfußlaufen zu versuchen.
Ich frage mehrere Familien danach und bekomme meist die gleiche Antwort: außerhalb von so einem Barfußpfad, dem Strandurlaub bzw. den eigenen vier Wänden möchten sie dann eher doch nicht barfuß sein. Zu gefährlich (und sicher auch zu auffällig). Ein Barfußpfad als Barfußreservat. Nicht ganz die Idee.
Eine Ausnahme bildet ein junges Paar, das ich zuletzt anspreche. Christine und Daniel heißen sie und kommen aus Coburg. Sie haben den Pfad in einer Broschüre entdeckt, die an einer anderen Attraktion der Region auslag.
„Ich laufe sehr oft barfuß. Aber nur daheim, nicht in der Öffentlichkeit“, berichtet mir Daniel. „Ich hätte aber Lust, es zu probieren. In der Stadt sehe ich öfter Leute barfuß, könnte ich auch mal machen“, überlegt er.
„Da hat man aber rabenschwarze Füße“, wendet sofort Christine ein. Sie kennt eine, die geht barfuß sogar nachts feiern. Sie hätte da eher Angst, sich zu verletzen. Glasscherben usw.
„Da hab ich gar keine Angst davor“, meint Daniel darauf. „Ich muss auf der Arbeit die ganze Zeit Sicherheitsschuhe tragen, da ist Barfuß die reinste Erholung.“ Den Urlaub in Kroation hat Daniel auch teilweise barfuß verbracht, nicht ganz zur Freude von Christine: „Ich durfte ihm dann die ganzen Nadeln aus den Fußsohlen ziehen…“ So ist das wohl, andere Barfußfreunde bestätigen es immer wieder: Je weiter man in den Süden kommt, desto mehr muss man sich vor Dornen und Stacheln in Acht nehmen. Zum Glück ist das in unseren Breiten dann doch etwas anders.
Dass es manchmal kleinere Schwierigkeiten beim Barfußlaufen gibt, hat der Pfad auch in einer Station angesprochen.
„Nicht das, was wir beginnen zählt, sondern das, was wir fertig bringen“. Tatsächlich. Das gilt hundertprozentig für das Barfußlaufen.
Hier lieb ich das Barfußlaufen total!
„Hier lieb ich das Barfußlaufen total“ schwärmt Daniel am Schluss. „Barfußlaufen in der Natur! Schön das es so etwas gibt!“
Dem ist nichts hinzuzufügen.
Ich bin Jahrgang 1955, Vater zweier erwachsener Töchter, und verbringe seit dem Sommer 2016 viel Zeit im traumhaft schönen Allgäu bei Füssen, wo Eva schon länger ihr Zelt aufgeschlagen hat. Hier kann ich zusammen mit ihr meiner Berg- und Radfahrleidenschaft frönen. Barfuß lebe ich seit 2012. Ich bin Autor von „Fünf Jahre barfuß„.
Vielen Dank für den schönen Bildbericht! Ich freue mich, dass es den Pfad, den ich 2004 besucht und auf meiner Webseite beschrieben habe, auch heute noch gibt.
Wirklich ein schöner Pfad. Und vor allem immer noch gut besucht. Er ist auf den Panoramakarten und Übersichtstafeln der Bahn eingetragen und beginnt direkt gegenüber der Bergstation. Ideal. Die bewirtschaftete Almhütte am Ende des Pfades ist dann das i-Tüpfelchen. Eine runde Sache.