40 km Fahrt nach Lermoos, nur um auf die Bichlbacher Alm zu wandern?
Lermoos liegt nicht gerade nebenan. Aber wir haben Gründe, uns die Bichlbacher Alm als Ziel auszusuchen.
Minus 2 Grad zeigt das Thermometer am Morgen, der Himmel ist noch reichlich mit Wolken bedeckt. Viel besser soll es am Nordrand der Füssener Alpen nicht werden, nur die Temperaturen sollen noch ein gutes Stück steigen. Nicht die besten Voraussetzungen für eine entspannte Barfußwanderung.Man wird da sehr wählerisch, wenn es auf den Winter zugeht. Den Barfußhelden verlangt es dann nach Südhängen, sonnigen Wiesen, wenig Wald. So etwas ist auf der Füssener Seite ein rares Gut.
Das Satellitenbild bringt aber die Lösung! Es zeigt nämlich wolkenlosen Himmel ein winziges Stück weiter südlich, schon bei Reutte. Da müssen wir hin, beschliessen wir ohne weiteres Zögern. Kurzerhand steht die Tour fest. Von Lähn, einer Ortschaft zwischen Reutte und Lermoos, soll es 500 m hinauf auf die Bichlbacher Alm in 1600 m Höhe gehen. Südhang!
Ich kenne die Tour schon von einer Wanderung ohne Eva ein paar Wochen zuvor. Sie ist im „Barfußwandern – Münchner Berge und Alpenvorland“-Buch beschrieben und tatsächlich in großen Teilen barfuß bestens machbar. So einen auf lange Strecken barfußfreundlichen Untergrund muss man in den steinreichen Kalkalpen erst einmal finden.
Hinein ins Ammergauer Gebirge
Schon bei der Anfahrt leuchten unsere Augen angesichts der sonnenbeschienenen Flanke von Erhebungen der Ammergauer Alpen mit lustigen Namen, nämlich dem Kleinen Pfuitjöchle (2133 m) im Westen und der Upsspitze (2332 m) im Osten. In dieser Bergflanke liegt die Bichlbacher Alm.
Bereits um 10 Uhr sind wir am Startpunkt, dem Lähner Hauptbahnhof, Gleis 1 (dem Einzigen). Der Ort hieß übrigens mal „de Mittewald“, bevor er 1456 durch eine Lawine zerstört und an neuer Stelle als Lähn (=Lawine) wiederaufgebaut wurde. Leider Gottes erwischte dann auch diesen Ort 1689 erneut eine Lawine…
Die Bahnstrecke liegt zwar in Österreich, wird aber von der Deutschen Bundesbahn bedient, nachdem die österreichische Bahn offenbar an eine Streckenstilllegung dachte. So erzählte es mir jedenfalls eine Lähner Wirtin. Das Gleis überquert man dann auch gleich, um auf den Wanderweg zu gelangen.
Unter Null Grad
Es ist saukalt, windig und schattig hier unten, das Thermometer zeigt -2 Grad, bei dem Wind gefühlte -7. Eva will dann fröstelnd und zitternd gleich direttissima den Hang hoch, wo die Sonne lockt. Aber so geht das nicht. Leider führt die Wanderung erst einmal ein paar hundert Meter nach Nordwesten bis zu einem Trainingsgelände für Gleitschirmeinsteiger mit satten 23 m Höhendifferenz zwischen Start- und Landeplatz.
Erst dann biegt der beschilderte und noch geschotterte Weg zur Bichlbacher Alm Richtung Sonne ab, und Eva atmet auf, wenngleich noch dick vermummelt…
Bald können wir auf grasiges Gelände ausweichen und die Aqua Sphere und Leguano ausziehen. Plus 5 Grad Bodentemperatur misst das Infrarot-Temperaturmessgerät. Das ist prima machbar. An einem Schilderbaum biegt er dann ab, der herrliche Erdweg, der durch kleine Waldstücke und viele Wiesen steil den Hang hinauf zieht. Die Wegtemperaturen schwanken drastisch. +5 Grad in der Sonne, -5 Grad auf den gefrorenen Partien im Schatten des Waldes.
Rasten in der Sonne
Unterwegs machen wir Rast an einer kleinen verträumten Hütte, umgeben von einem frisch erstellten Gatter. Die hat sich wohl ein Urlauber hergerichtet, vermuten wir. Wahrscheinlich deutscher Nationalität, alles ist x-fach mit dicken Vorhängeschlössern der Marke Abus verrammelt, sogar das leicht übersteigbare Gattertörchen. Doch, doch. Sicher ist sicher… So was verlockt übrigens zu Gedanken, wie man trotzdem…Nee, ist das schön hier. Das wäre auch was für uns…
Immer weiter geht es den Berg hinauf, es ist himmlisch, überirdisch, geradezu erleuchtend.
Eva erscheint mir jetzt sogar als Geist in der Flasche…
Nicht mehr weit entfernt von der Alm treffen wir auf einen kleinen Wasserlauf mit pittoresken Eisskulpturen.
Und wieder lockt der Schotter 🙁
Leider verläuft die Route unterhalb der Hütte ein paar hundert Meter über einen Schotterweg (es gibt sie also doch noch), wo dann wohl oder übel unsere Minimalschuhe von Nöten werden. Schließlich gönnt man sich ja sonst nichts…
Dann geht es die letzten Meter entlang einer Materialseilbahn wieder barfuß hinauf bis zur Bichlbacher Alm, die verlassen in der Sonne döst.
Rast an der Hütte
Wir machen es uns auf einer Bank gemütlich, jausen, dösen und genießen. Die Aussicht ist prächtig und reicht von der Mieminger Kette mit dem Tajakopf (2408 m) und dem „Matterhorn von Ehrwald“, der Sonnenspitze (2417 m), bis zu den Lechtaler Alpen mit Bergen wie der Bleispitze (2225 m) direkt gegenüber oder dem Thaneller (2341 m) im Westen. Das Zugspitzmassiv wird leider – ups – durch die Upsspitze verdeckt, die mit dem Daniel (2340 m) einen Doppelgipfel bildet.
Zurück nach Lähn
Man könnte von der Bichlbacher Alm jetzt in 2 Stunden zur Tuftlalm weiterwandern und dann nach Lermoos absteigen. Das verschieben wir aber auf wärmere und vor allem längere Tage.
Stattdessen steigen wir auf einer anderen Route als dem Hinweg wieder über herrliche Almwiesen und durch Waldpartien steil ab nach Lähn.
Unterwegs müssen wir hin und wieder an kurzen vereisten Wegstrecken aufpassen.
Insgesamt ist es aber barfuß wieder prima machbar. Nur zu Anfang sind auf einem geschotterten Weg für kurze Zeit Minimalschuhe angeraten. Eva entschließt sich allerdings nach einem Wiesenstück doch dauerhaft für die Komfortlösung, während ich barfuß bleibe, obwohl der Pfad zum Ende hin etwas steinig wird. Kalte Fußsohlen dämpfen den Schmerz…
Im Tal angekommen geht es zurück nach Lähn über Schotterwege. Da ziehe denn auch ich – Heldentum hin, Heldentum her, die Aqua Sphere an, schon damit es etwas zügiger geht. Und wir sind wieder im Schatten, der Wind weht, es ist eiskalt wie am Morgen. Aber der Blick auf die Berge im weichen Abendlicht ist herrlich.
Der Parkplatz am Bahnhof ist mit Rauhreif überzogen, an dem die nun wieder baren Füße leicht festkleben. Aber schön war sie, die Tour. Danke, liebe Söffkers, für den wertvollen Barfußtipp!
Ich bin Jahrgang 1955, Vater zweier erwachsener Töchter, und verbringe seit dem Sommer 2016 viel Zeit im traumhaft schönen Allgäu bei Füssen, wo Eva schon länger ihr Zelt aufgeschlagen hat. Hier kann ich zusammen mit ihr meiner Berg- und Radfahrleidenschaft frönen. Barfuß lebe ich seit 2012. Ich bin Autor von „Fünf Jahre barfuß„.
Hallo,
Ich bin auch begeisterte Barfuß-Wanderin, aber nur in der Wärme.
In meinem Buch von E. und S. Soeffker ist diese Tour nicht drin (Ausgabe 2008). Handelt es sich um eine neuere Ausgabe?
Grüße
Hallo Margit,
toll, dass Du unser Hobby teilst. Man erlebt die Landschaft so noch viel intensiver. Und klar, bei wärmerem Wetter macht es den meisten Spaß. Andererseits stören mich Schuhe inzwischen so sehr an den Füßen, dass ich auch den Winter barfuß genieße, so oft es eben geht.
Mein Wanderführer von Eduard und Sigrid Soeffker ist tatsächlich die 2., aktualisierte und erweiterte Auflage von 2012. Vielleicht sieht man sich ja mal auf einer gemeinsamen Wandertour?
Liebe Grüße, Wolfgang
Ganz traumhaft, das macht mir richtig lust!
Das geht uns ganz genauso. Das schöne Wetter lockt uns momentan fast täglich in die Berge.