Im Winter barfuß querfeldein
Spontan möchte ich heute mit meinem Pony barfuß querfeldein laufen. Morgens um 8 Uhr hat es -7°, die Dächer und Wiesen sind dick mit Rauhreif bedeckt. Um 10 Uhr hat es schon +5°. Die Sonne strahlt von einem blauen Himmel herunter, in sonnigen Lagen ist der Rauhreif bereits Geschichte. Allerdings hält er sich im Schatten seit Tagen hartnäckig und wird immer dicker und frostiger.
Heute habe ich eine kleine Erkundungs-Tour geplant und so mache ich mich um 11 Uhr (+8°) mit meinem Ponykumpel zu Fuß auf den Weg. Die Sonne wärmt, es ist nahezu windstill – so kann ich Winterjacke, Mütze und Handschuhe getrost am Stall lassen. Da ich gerne mit wenig Ballast laufe, verstaue ich Kompass, Karte, Multitool* und Handy in meiner Outdoorweste. Eine 0,5 Liter Flasche mit Wasser und die Leguano* für den Notfall trage ich in einem kleinen Fahrrad-Not-Rucksack auf dem Rücken. Die Karte habe ich immer dabei, den Kompass, wenn ich von vornherein weiß, dass ich mich entweder in unbekanntes Terrain, abseits der üblichen Wege begebe und/oder der Himmel bedeckt ist. Der Kompass ist nicht nur für Survivalfans von Nutzen, sondern ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel, wenn man outdoor unterwegs ist und kein Smartphone mit GPS hat.
Ein Kompass kann wichtig sein
Im Sommer 2012 habe ich mich im französischen Jura in einem bewaldeten Tal (ohne Wege) verirrt. Die Schlucht war so eng, das keine Sonne zu sehen war, mit deren Hilfe ich Uhrzeit und Richtung bestimmen konnte. Mein Orientierungssinn ist normalerweise sehr gut ausgeprägt, doch dort war ich wirklich aufgeschmissen.
Der schmale Bachlauf, dem ich folgte (rechts und links gesäumt von 80 Höhenmetern, zum Teil felsiger Böschung ohne Aufstiegsmöglichkeit) wandte sich im Zickzack, mal wieder um 180° zurück, dann wieder in mehreren 45°-Winkeln kreuz und quer. Immer wieder musste ich die Bachseite wechseln und bald wusste ich nicht mehr, in welche Richtung ich überhaupt lief. Eine Orientierung war nicht mehr möglich. Auch Geräusche, außer denen des Waldes, waren nicht auszumachen. Der Bach stand oftmals still, durchlief eine Wildschweinsuhle oder versumpfte ganz einfach, so dass ich dann auch keine Verlaufrichtung mehr ausmachen konnte. Damals hatte ich keine topographische Karte, sondern nur eine normale Wanderkarte, auf der dieser Bachlauf nicht so verzeichnet war, wie er sich mir darbot. Und ich besaß damals noch keinen Kompass.
Keine Wanderung ohne Kompass
Ich war mit Freunden in einem kleinen Dorf verabredet – von meinem Ausgangspunkt konnte ich das Dorf auf der anderen Seite des Tales sehen. Eigentlich ein Katzensprung von nicht mal 2 km. Tatsächlich bin ich 3 Stunden in der Schlucht umhergeirrt, bevor ich aus der Ferne Rufe hörte und man mich fand. Ich war nur 10 Minuten Fußmarsch vom Dorf entfernt und habe mich die ganze Zeit auf einer Strecke von etwa 300 m bewegt. Das muss man sich mal vorstellen. Am nächsten Tag bekam ich einen Kompass geschenkt 🙂
Seither habe ich also dabei und gelegentlich hilft er mir, besonders wenn ich bei bedecktem Himmel in unwegsamen Gelände unterwegs bin und ich mich nicht so bewegen kann, wie mir meine Orientierung vorgibt.

Mit Kompass auf Tour
Heute also wollte ich einige Wege auskundschaften, die auf der Karte zwar eingezeichnet, aber im Sommer aufgrund der geschlossenen Zäune fürs Almvieh, nicht passierbar sind. Zumindest nicht, wenn man sich in pferdiger Gesellschaft befindet. Fußgänger können durchaus diese Wege über die Almen gehen, klettern dann über die hölzernen Zauntreppen oder durchgehen dreieckige 1-Mann-Absperrungen.
Unser Weg führt uns in den Sulzschneider Forst, rund um das Wasachmoos.
Um diese Jahreszeit sind die Zäune offen und wir können ungehindert unseren Weg fortsetzen. Einige der Wege, die zunächst sogar noch Fahrspuren aufweisen, werden in ihrem Lauf zunehmend schmäler, dann fast unscheinbar und enden urplötzlich im Dickicht. Oft ist es sumpfig und es endet im Moor. Ein Weitergehen wäre lebensgefährlich. Schade, denn der offizielle Sulzschneid-Wanderweg befindet sich keine 50 m vor uns. So müssen wir auch dieses Mal wieder umkehren, wie schon 2 x zuvor, als die Wege einfach aufhörten Wege zu sein. Was auf der einen Seite schade ist, ist auf der anderen Seite wünschenswert – die Renaturierung der Moorlandschaften. Unerlässlich für ein funktionierendes Ökosystem.
Vorsicht Sumpf!
Einer der Wege zwingt uns zum Umkehren, da der zunächst schöne Waldpfad in einen schmalen Brettlesweg durch den Sumpf übergeht. Er ist zwar für Mensch, Fahrrad und Hund begehbar, aber für 400 kg Ponys ungeeignet.
Da wir nun schon 3 Stunden unterwegs sind und die Wintersonne langsam immer tiefer sinkt, machen wir uns auf den Rückweg. Auf dem letzten halben Kilometer lasse ich mich tragen 🙂
An diesem Tag sind wir 7,1 km gelaufen, davon etwa 6,5 km barfuß über alle möglichen Untergründe, außerdem 1,5 km Asphalt. Der Boden ist hart gefroren, auch wenn das Grün der Wiesen, das relativ milde Wetter und die Sonne das nicht vermuten lassen. Schattige Stellen, die frostig mit Reif bedeckt sind, werden einfach schneller durchlaufen. Trotzdem kein Grund, die Leguano* anzuziehen.
Übrigens, den Kompass habe ich heute nicht gebraucht 🙂 Dafür bin ich mit einem fast leeren Handyakku los, weshalb ich keine Fotos von der Tour gemacht habe, um für den Notfall ein Signal absetzen zu können. Als klar war, dass ich schon in wohlvertrauter Nähe zum Hof war, hab ich noch schnell das kleine Video gemacht 😉

Ich bin Jahrgang 1966 und Mutter zweier erwachsener Kinder. Das wunderschöne Allgäu ist mein Zuhause. Seit 2015 lebe ich barfuß, Sommer wie Winter. Ich gärtnere mit Freude nach dem Vorbild der Natur (biologisch + Permakultur) und ernähre mich zuckerfrei. 2020 erschien mein Buch “Zuckerfrei essen jeden Tag” und 2021 eröffnete ich den Barfuss SHIRT Shop.
Letzte Aktualisierung am 31.05.2023 / *Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
Was für ein schöner Bericht. Da lerne ich Land und Sitten kennen. Das mit dem Kompaß ist ja aus der Mode gekommen aber ein sehr wichtiger hilfreicher Tip. Einen milden Winter wünsche ich Dir noch und danke für die Poesie.
Hey liebe Freundin, schön Dich zu lesen. Ja, ich bin dankbar für jeden schönen Tag, den wir haben. Dank der Sonne lassen sich auch die gefrorenen Böden problemlos mit nackigen Füßen laufen. Und mit jedem Tag gewöhnen sich meine Füße mehr an das neue Gehen ohne Schuhwerk.